Wohl dem Land das keine Helden braucht

Am Ende seines Dramas Leben des Galilei lässt Bertolt Brecht den Studenten Andrea Sarti sagen: „Unglücklich das Land, das keine Helden hat!“ Die berühmt gewordene Antwort Galileo Galileis folgt auf dem Fuß: „Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“

Der Tag, da ich diese zwei Sätze bedenke, ist der sechste Tag nach dem Überfall russischer Streitkräfte auf die Ukraine. „Putins Krieg“ heißt es in weiten Teilen der Welt.

Längst leben wir in einer vielfach verflochtenen, vernetzten, verstrickten einen Welt. Da geht es nicht mehr nur um Länder, Nationen und Grenzen, es sei denn, dass man sich auf eine völkerrechtliche oder geopolitische Perspektive beschränkt. Vielleicht ist einer der größten Unterschiede zwischen Putin und Selenskyj, dass der eine den Globus im Blick hat, der andere Menschen, für die er Verantwortung trägt. Beruf und Umfeld mögen gewählt sein oder einfach prägen, beides wohl – und einiges mehr kommt dazu.

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Der soziale Körper muss gesunden

Europa ist stolz auf seine philosophische Tradition. Die Folgen jahrhundertelanger Gedankenarbeit und politischer Kämpfe: Wohl begründete Freiheitsrechte, Rechte des Einzelnen, gegründet auf ein Menschenbild, das mit dem Ausdruck „Sakralität der Person“ bestens auf den Begriff gebracht ist – anschlussfähig also mit der religiösen Überlieferung. Von Thomas Hobbes über John Locke und David Hume bis zu John Stuart Mill läuft eine Linie, die den Staat zum Garanten individueller Selbstentfaltung erkoren hat. Neben der pragmatischen angelsächsischen Tradition stützten Freiheitsdenker wie Spinoza und Kant die Forderungen nach Selbstbestimmung systematisch ab. Die Feier des Individuums prägt unsere westliche Lebensform. Wenn der Sinn der Politik die Freiheit ist, so deshalb, weil Freiheit dem Ich den Lebensraum gibt. Das Ich ist Angelpunkt unserer Wertewelt.

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„Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“?

Das Zitat des heute kaum mehr bekannten Haudegens Ferdinand von Schill (6.1.1776 – 31.5.1809)[1] bei einer Ansprache auf dem Marktplatz von Arneburg an der Elbe am 12. Mai 1809 kommt heute wohl manchen in den Sinn. Ferdinand von Schill soll oft passende Worte gefunden haben, um die Menschen auf der Straße und die einfachen Leute anzusprechen. Man muss ihn deshalb nicht für einen Populisten halten. Doch wie dem auch sei, in Anspielung auf Psalm 73,19 rief der damalige Kommandeur eines Freicorps den Menschen in Arneburg zur Ermutigung zu: „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“ Weiterlesen „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“?

Der Klügere gibt nach?

Unlängst wieder Streitigkeiten. Worüber? Weshalb? Das spielt eigentlich keine Rolle, denn Anlässe finden manche Zeitgenossen immer. Auch die eigene Streitlust findet sie.
Am Abend dann das Gespräch darüber mit einer Freundin. Und ich wusste es ja, was kommen musste wie das Amen in der Kirche, früher oder später: „Komm, lass sie einfach! Der Klügere gibt nach.“

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Stille Nacht, heilige Nacht…

Orte der Stille suchen wir – anders als das „stille Örtchen“ – nicht um etwas loszuwerden, sondern um einzukehren bei uns selbst. Solche Einkehr ist ein wahrhaft intimer Vorgang. Sie bedarf nicht des geschlossenen Raums, sondern einer Öffnung: „sprachaufwärts“ ins Dialogische. Paradox des Schweigens: in ihm ersteht das Wort. Weiterlesen Stille Nacht, heilige Nacht…